Volkswagen NOx-Verfahren am Landgericht Braunschweig: Verhandlungstag 2

Ersteller: Sean Gallup / POOL. Credit: EPA

Am Dienstag wurde die Hauptverhandlung gegen vier teils ehemalige Manager des Volkswagen-Konzerns vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig fortgesetzt.

Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft

In ihren Eröffnungserklärungen haben die Verteidiger der Angeklagten ihre jeweiligen Mandanten nicht nur dadurch versucht zu entlasten, indem sie bei ihren rechtlichen Ausführungen zumindest billigend in Kauf nahmen, dass die jeweils anderen Angeklagten dadurch belastet werden könnten. Die Verteidiger der Angeklagten J. und H. übten in insgesamt fünf Themenkomplexen auch deutliche Kritik an der Vorgehensweise bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig. So sei das gesamte Ermittlungsverfahren deutlich ″US-lastig″ gewesen, bestimmte Umstände seien noch gar nicht ausermittelt, eine rechtliche Durchdringung habe demnach nicht stattgefunden, dennoch habe man bereits Anklage erhoben. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs sei dadurch verletzt worden.

Auch habe die Staatsanwaltschaft Sachverhalte, die die Angeklagten entlasten könnten, nicht oder nicht ausreichend ermittelt, obwohl einer der Angeklagten sogar ausdrücklich darum gebeten habe.

Obwohl das Zwischenverfahren über eineinhalb Jahre gedauert habe, sei zudem sei nach wie vor nicht geklärt, wann die Angeklagten Kenntnis über welche Tatsachen erfahren haben könnten. Der laut Anklage in Rede stehende Schaden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro sei selbst nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft nicht entstanden.

Aussetzung der Hauptverhandlung beantragt

Die Rechtsanwälte des Angeklagten H. beantragten, die Hauptverhandlung so lange auszusetzen, bis die Verhandlungsfähigkeit des Ex-VW-Chef Martin Winterkorn wieder hergestellt sei. Dies sei in 6-8 Wochen der Fall. Die Öffentlichkeit erwarte auch wegen der Außenwirkung des Gerichtsverfahrens, dass sich Winterkorn zu den Vorwürfen verhalte. Winterkorn war Anfang September an der Hüfte operiert worden und gilt seitdem als verhandlungsunfähig.

Die Staatsanwaltschaft hat die Vorwürfe der Verteidigung zurückgewiesen, inbesondere sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt, da sich die Angeklagten bis zu einer Entscheidung des Gerichts äußern könnten.

Angeklagter D. erhebt schwere Vorwürfe gegen Ex-VW-Chef Winterkorn

Nach der Mittagspause hat sich der erste der Angeklagten, der von den US-Ermittlungsbehörden als Kronzeuge behandelt wurde, zur Sache eingelassen.

Er schäme sich, dass er seinen Ansprüchen nicht gerecht geworden sei. Er sei stets aus Freude am Entwickeln tätig gewesen. Nachdem Wettbewerber ihre Fahrzeuge bereits seit Jahren erfolgreich mit Dieselpartikelfiltern ausgerüstet hatten, habe er stets unter großem Erfolgsdruck gestanden. Der Angeklagte betonte, er habe sich damals entscheiden müssen, sich entweder integer oder loyal gegenüber seinem Arbeitgeber zu verhalten und sei letztlich den falschen Weg gegangen, bis es zu spät gewesen sei.

So habe er frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Partikelfilter in den VW-Fahrzeugen bereits bei der Erprobung ausnahmslos durchgebrannt seien und davor gewarnt, dass dies aller Wahrscheinlichkeit nach auch in der Serie geschehen werde. Geschehen sei indes nichts.

Er habe zudem wesentlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. So habe er dem weiteren jetzt Angeklagten N., der damals sein Vorgesetzter gewesen sei, die Tatsache einer Abschaltvorrichtung in dem Motor EA189 sowie deren genaue Funktionsweise mitgeteilt. Sein damaliger Vorgesetzter N. habe aber nichts unternommen, sondern habe D. gebeten zu gehen und die Unterlagen zu vernichten.

Indes sitze der Hauptverantwortliche Winterkorn, nun zuhause und schaue sich das Verfahren aus sicherer Entfernung an. Winterkorn habe im Juli 2015, also rund vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Abschaltvorrichtung, an einem Meeting mit hochrangingen VW-Managern, teilgenommen. An einem so genannten Schadenstisch werden im Normalfall ausgefallene Bauteile begutachtet sowie Maßnahmen zur Lösung des Problems erörtert. Als Winterkorn von D. von der Ursache der massenweise durchgebrannten Partikelfilter erfahren habe, habe er geflucht, aber nicht die sonst von ihm gewohnten technischen Fragen gestellt.

Der Rest ist bekannt: Für August 2015 wurde der Angeklagte D. zum CARB (California Air Resources Board), einer US-amerikanischen Regierungskommission und Beratungsgremium zur Luftreinhaltung bestellt. Hierfür habe er ″Regieanweisungen″ seiner Vorgesetzten erhalten, um so zu erreichen, dass Volkswagen die ausstehende Zulassung für Fahrzeuge mit den Motoren EA189 und EA 288 erhalte. Er habe sich dem jedoch widersetzt und letztlich als erster das Vorhandensein der Abschaltvorrichtung am 18. August 2015 zugegeben.

Die Hauptverhandlung, für die insgesamt 133 Verhandlungstage vorgesehen sind, wird am Donnerstag voraussichtlich mit den Einlassungen der weiteren Angeklagten fortgesetzt. Die Kammer hat angekündigt, in der nächsten Woche über die Aussetzung der Hauptverhandlung zu entscheiden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*